Bindungswirkung und Testamentsauslegung

Soll der Längerlebende gebunden sein?

Errichten Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament, so müssen sie auch eine Bestimmung dazu treffen, ob ihre jeweiligen letztwilligen Verfügungen für den längstlebenden Ehegatten bindend sein sollen. Vorzugswürdig ist es daher, auch diese Frage nicht der Auslegung zu überlassen, sondern eine ausdrückliche Anordnung zu treffen, ob eine bestimmte Verfügung bindend sein soll.

Mitunter bedenken Ehegatten bei der Abfassung ihres Testaments nicht, dass ein Ehegatte den anderen Ehegatten möglicherweise um Jahrzehnte überleben kann, und dass sich der Längstlebende möglicherweise in einer Lebenssituation wiederfindet, die mit der Situation bei Errichtung des Testaments nicht mehr zu vergleichen ist.

Besondere Vorsicht ist geboten bei einer im gemeinschaftlichen Testament beliebten Regelung für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“. Die Verwendung dieser Formulierung führt mitunter zu Auslegungsschwierigkeiten. So ist in ohne fachliche Beratung erstellten gemeinschaftlichen Testamenten oftmals unklar, ob eine bestimmte Erbeinsetzung nur für den Fall gelten soll, dass die Ehegatten tatsächlich gleichzeitig oder jedenfalls aufgrund desselben Ereignisses versterben, was nur höchst selten vorkommt, oder ob die Erbeinsetzung auch für den Fall des Nacheinanderversterbens der Ehegatten gewollt ist.

RA Dr. Dirk Engel