Wenn die Auslegung des Testaments nicht eindeutig ist

Ehegattentestamente, die nicht mit fachlicher Unterstützung gestaltet worden sind, werfen nach Eintritt des Erbfalls häufig die Frage auf, ob bei der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten gewollt ist, daß der längstlebende Ehegatte unbeschränkter Vollerbe ist oder ob lediglich seine Einsetzung zum Vorerben gewollt war.
Dabei kommt es weniger auf die von den Testierenden verwendeten Begriffe als vielmehr darauf an, was die Ehegatten bei Erstellung ihres Testaments verfügen wollten. Ergibt die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments, daß gewollt war, daß der längstlebende Ehegatte auch über das ererbte Vermögen frei und ohne Beschränkungen verfügen können soll, so wird anzunehmen sein, daß er nicht nur Vorerbe sondern unbeschränkter Vollerbe sein sollte.
Ergibt sich jedoch aus dem Testament oder auch aus Umständen, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, daß es der Wille der Ehegatten war, ihr Vermögen den Kindern ungeschmälert zu erhalten, so wird dies eher für die Annahme der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sprechen. Zur Vermeidung von unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten sollte daher bereits bei der gegenseitigen Erbeinsetzung eine ausdrückliche Klarstellung erfolgen, ob der längstlebende Ehegatte unbeschränkter Vollerbe oder nur Vorerbe werden soll.
RA Dr. Dirk Engel